10.01.2011 /aktualisiert am 26.01.2011: Meine Meinung zu:
ECE und die Demokratie in Leer
Man kann es manchmal nicht mehr hören:
  • Da leben wir hier in einer Stadt, die rechtzeitig ihre Hausaufgaben gemacht hat und, oft im Gegensatz zu anderen Kommunen, mit Altstadtsanierung, Einrichtung von Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen, Hafenanbindung an die Innenstadt, Tourismusförderung usw., Verkehrserschließung und Parkplatzangebot zur Einkaufsstadt Nr.1 in Ostfriesland geworden ist,
  • da haben wir einen Einzelhandel mit dem engagierten Sprecher, Herrn Poppen, der diesen Stand halten, möglichst verbessern will,
  • da haben wir einen tüchtigen Bürgermeister, der unbequeme Themen anpackt, um seine Stadt nach vorne zu bringen,
  • da haben wir einen Stadtrat (und seine Ausschüsse), der sich die Entscheidung nicht leicht macht, externen Sachverstand einholt und versucht, Stadtentwicklungsnotwendigkeit und Bürgerwillen der Gesamtstadt unter einen Hut zu bringen,
  • und da haben wir schließlich einen privaten Investor, der dieses alles rechtzeitig erkannt hat und nun auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko einen großen Einkaufsmarkt mitten in der Innenstadt, mitten in der Haupteinkaufszone, dort – wo er hingehört - bauen möchte.
Und was passiert dazu in der Öffentlichkeit? Es wird gemosert und intrigiert, sogar gepöbelt und gemobt.
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Nun ist ECE nicht irgendein Investor. Nein, ECE ist ein kaufmännisches Unternehmen, das in ganz Europa baut und in unzähligen Städten Deutschlands bewiesen hat, dass es sein Geschäft versteht. Trotz manchmal gigantischer Ausmaße läuft überall nach einer gewissen Anlaufzeit der Laden. ECE hat den Trend erkannt:
oDie Leute wollen nicht nur das triste Versorgungskaufen in den Märkten am Stadtrand,
  • wollen wieder Erlebniskaufen mitten in der Stadt,
  • verbunden mit Schlendern am Hafen und Kaffeetrinken mitten unter den Menschen, draußen auf der Straße.
oSolch ein Einkaufscenter darf nicht wie ein Klotz die Kleinmaßstäblichkeit der Straßenrandbebauung kaputtmachen (negatives Beispiel: Planung Sparkassen -Neubau), sondern muß sich einfügen.
ECE hat sich nicht Aurich, Hesel, Emden oder Norden ausgesucht: Nein, Leer – die wie keine andere Stadt in der Umgebung rechtzeitig die Voraussetzungen für so eine riesige Investion getroffen hat:
  • Die Autobahnen A28/31 mit 4 Anschlußstellen am Rande der Stadt, die schnell die Kunden bringen.
  • Umgehungsstraßen, die den Teil des Verkehrs, der nicht dort hin gehört, aus der Innenstadt heraushalten,
  • einen Innenstadtverkehr ohne Verkehrsschneisen wie z.B. Aurich, Hesel oder Emden.
Klar, manches ist sicherlich noch verbesserungsfähig. Doch immerhin läuft der Hauptverkehr nach Emden und Groningen schon lange nicht mehr durch die Mühlenstraße – wie in Emden (dort wird es allmählich besser) oder Aurich. Bei uns gibt es auch kein durch Verkehrsadern zwei- oder dreigeteiltes Ortszentrum, wie in Hesel oder Aurich. Diese Weitsicht beruht auf kluge Entscheidungen des Rates der Stadt Leer, z.T. rechtzeitig vorbereitet durch den früheren Stadtdirektor Dr. Hermann Bakker.
Nun gibt es heute überall in Deutschland einen Gegentrend zu den Märkten am Stadtrand, die in den 80er Jahren in Mode gekommen waren.
  • Man möchte nicht mehr nur auf der grünen Wiese die Dinge des täglichen Lebens einkaufen können,
  • Versorgungskaufen in der Innenstadt soll wieder gestärkt werden,
  • neue Geschäfte im Wettbewerb sollen für günstige Preise sorgen,
kurz gesagt: Die Innenstadt soll wieder mehr Bedeutung für das Einkaufen erhalten.
Da setzt konkret ECE an: Es soll als Ergänzung des Kaufangebots in der oberen Mühlenstraße,
  • auf zwei Geschossen eine Einkaufsgalerie entstehen, wie sie in vielen Einkaufsstädten längst selbstverständlich ist.
Dabei sind es – wie immer behauptet wird - ja nicht nur Geschäfte, die dort entstehen:
  • In den oberen Etagen sollen u.a. viele Büros eingerichtet werden, die das Mittelzentrum Leer stärken werden.
  • Die triste zahnlückenartige Straßenseite der Bgm.-Ehlenholtz-Straße zwischen Sparkasse und Leffers soll geschlossen werden.
Und als Bonbon verspricht ECE,
sich baulich hinter den Fassaden der Mühlenstraße auszubreiten. Also: Die für diese Straßenzeile und damit auch für Leer typischen und in der Regel zweigeschossigen Fassaden verbleiben (mit wenigen Ausnahmen).
Wer es konkreter in Zahlen möchte:
  • Es sollen 50-60 neue Geschäfte in der Mühlenstraße, hinter den historischen kleinmaßstäblichen Kaufhausfassaden verteilt, gebaut werden,
  • dafür will ECE ca. 70 Millionen Euro auf eigenes Risiko in Leer investieren, die direkt in den Baumarkt (Baufirmen und Baustoffgeschäte, Zulieferer) gehen,
  • Es wird ca. 500 neue Arbeitsplätze in Leer in dem neuen Einkaufscenter geben
Die vorgesehene gewaltige Millionen-Investition bedeuten also ein riesiges Bauvolumen, den unsere Bauwirtschaft so nötig braucht. Und überall im Center wird es neue Arbeitsplätze für Leer und die umgebende Region geben.
Haben wir diesen Schub nicht dringend nötig? Brauchen wir nicht dringend Gewerbesteuereinnahmen, um unseren städtischen Haushalt im Lot zu behalten?
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Sicherlich gibt es noch viel zu regeln. Gerade die Ratsvertreter weisen immer wieder auf die Knackpunkte hin:
  • Die endgültige Festlegung der Marktgröße,
  • der richtige Branchenmix und ihre anteiligen Größenordnungen,
  • die Lösung der Zu- und Abfahrtsproblematik,
  • das Parken m.E. im Center usw.
Die Diskussion sollte sich nun darauf konzentrieren.
Von bestimmter Seite wird nun gegen das Center opponiert. Ich habe ja nichts gegen berechtigte Kritik, nichts gegen das sich Einsetzen für eigene Interessen. Es geht dabei allerdings zum Teil sehr unsachlich, teilweise auch unrichtig, meistens unvollständig, einseitig, zu. Das ist nicht fair:
  • Insbesondere werden die Geschäftsprobleme der Altstadt gegen die Geschäftslage der oberen Mühlenstraße ausgespielt. Im geplanten neuen Einkaufscenter wird es aber kaum ein individuelles Angebot, wie es die kleinen Fachgeschäfte und Boutiquen der Brunnenstraße oder der Rathausstraße angeblich in so großer Zahl vorhalten (welche sind das eigentlich?), geben. Bei ECE ist ein vollkommen anderes Sortiment, das Größe und Ladenfläche braucht, vorgesehen.
  • Es wird ein Gegensatz zwischen Altstadt und FGZ konstruiert, der mir zu einseitig dargestellt ist. In der Altstadt hat man ganz andere Strukturprobleme zu lösen, die mit dem Für oder Wider ECE wenig zu tun haben. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Eine starke Fußgängerzone wird positiv auf die Altstadt abstrahlen. Dafür muß aber auch die Altstadt an ihrem Profil arbeiten, darf nicht sich alleine mit dem schönen Altstadtgesicht begnügen. Hier fehlen Vorschläge der Kritiker.
  • Immer wieder wird ein Lebensmittel-, insbesondere Frischemarkt für die Innenstadt gefordert. Wenn ECE nun aber konkret ein solches in der Größe von ca. 1.000 m2 (das ist mehr als manch ein aldi oder Lidl) vorsieht, wird gezweifelt und unterstellt, dass sei alles unwahr. Warum richtet denn keiner der Kritiker einen solchen Markt in der Altstadt ein?
oEs wird sicherlich auch Geschäftsinhaber geben, die einer solchen ECE-Baumaßnahme mit Sorge entgegensehen. Keine Frage. Hier muß auf anderen Wegen versucht werden, zu helfen. Es kann aber nicht angehen, dass diese persönlichen Härten von Einzelnen dazu ausgenutzt werden, eine ganze Stadt gegen das Projekt aufzuwiegeln.
oWenn man die Bevölkerung gegen ein Einkaufszentrum in der oberen Mühlenstraße aufbringt, gleichzeitig aber ein ebensolches in der Nähe der unteren Mühlenstraße (es wäre ein Riegel zwischen FGZ und Altstadt) vorschlägt, zeigt das doch, woher der Wind weht: Eigeninteressen und nicht das Gesamtwohl der Stadt stehen im Vordergrund.
Das muß man dann aber auch sagen.
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Eine Stadt muß aber als Ganzes gesehen werden. Wenn wir eine florierende Einkaufsstadt Leer (die neben Steuereinnahmen auch viele Vorteile für alle Bürger hat) wollen, müssen von Zeit zu Zeit mutige, in die Zukunft gerichtete Entscheidungen getroffen werden. Wenn dabei die von uns gewählten Vertreter zusammen mit der Verwaltung in Mehrheitsentscheidungen zu der Überzeugung gelangen, das Gesamtinteresse der Stadt erfordert eine Entscheidung, bei der bestimmte Einzelinteressen zurückstehen müssen – dann muß das auch akzeptiert werden. Man wird es dabei nicht jedem rechtmachen können. Wir leben in der Stadt schließlich in einem geordneten System.
Man macht sich in Rat und Verwaltung so eine schwerwiegende Entscheidung nicht leicht, versucht, alles mit viele Gutachten und viel Sachverstand zu untermauern. Es zeugt von wenig Demokratieverständnis, wenn die Bevölkerung nun regelrecht gegen eindeutige Ratsentscheidungen (z.B. 9:4 Stimmen für das Center im Bauausschuss) aufgewiegelt wird, die Ratsvertreter als Tölpel hingestellt werden, der Bürgermeister immer wieder in übelster Weise diffamiert wird.
Ganz schlimm ist es aber, wenn in vereinzelten Fällen Ratsmitglieder beim Einkaufen in der Altstadt und in der unteren Mühlenstraße diskriminiert werden, in dem man ihnen androht – sofern sie ECE-Befürworter sind - sie nicht zu bedienen. Auch Geschäftsleute, die als ECE-Befürworter gelten, möglicherweise auch zu den Gewinnern der ECE-Maßnahme gehören würden, werden angepöbelt.
Das erinnert an schlimme Zeiten. Warum nicht gleich ein Schild ins Fenster hängen: „Hier werden ECE-Befürworter nicht bedient!“
Dagegen müssen wir uns alle wehren!
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Es ist leider so: Bei allen großen Entscheidungen, die sich alle im Nachhinein im großen ganzen als richtig erwiesen haben, gab es immer wieder Neinsager, ich sage nicht: Querulanten. Sei es beim Bau der Autobahnen, des Emstunnels, der Eingemeindung der heutigen Ortsteile, bei der Altstadtsanierung, der Hafenpromenade, der Einrichtung der Fußgängerzone, bei der Planung und den Bau der Nessebrücke, dem Lidl-Markt an der Ubbo-Emmius-Straße oder auch bei der sozialen Stadt im Ostteil Leers: Immer wieder versuchten Zauderer und Zögerer, die Entwicklung unserer Stadt durch kurzsichtige einseitige Argumente zu verhindern, hatten zuwenig das Gesamtwohl der Stadt im Auge.
In allen diesen genannten Fällen hat der Rat, sicherlich nach Diskussionen (auch mit diesen Kritikern), die richtigen Entscheidungen getroffen. Das ging aber auch nur, weil der Rat sein Handeln – wie jetzt auch - durch Fakten abstützte und nicht vor der Meinungsmache der Straße einknickte. Auch, weil die Fraktionen des Rates sich nicht auseinander dividieren ließen, nach sorgfältiger Planung und unter Berücksichtigung von viel eingeholtem kompetenten Sachverstand, gemeinsam mit dem jeweiligen Stadtdirektor bzw. Bürgermeister, zum besten der Stadt entschieden.
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Es mag ja schick sein, alles in Frage zu stellen (Stuttgard 21 hat außer einem großen Zeitverlust und Kosten, die wir alle tragen, schließlich auch nicht viel gebracht). Wir sollten jetzt nach vorne schauen und auch übergeordnete Zwänge anerkennen. Bei der Klärung der schwierigen Fragen sollten wir unseren von uns gewählten Vertretern im Rat den Rücken stärken, sie nicht demontieren. Es sind keine bösen Jungs (oder Frauen) von einem anderen Stern, sondern unsere von uns ganz demokratisch gewählte Sprecher, denen wir vielleicht ein wenig mehr Vertrauen entgegenbringen könnten. Wenn sie es denn wirklich nicht gutmachen, müssen andere von uns in der im Herbst anstehenden Kommunalwahl bestimmt werden.
Den Gegnern würde ich empfehlen, sich auf den Listen der Parteien zur Wahl zur Verfügung zu stellen. Sie haben in diesem Jahr die einmalige Chance, damit auf demokratischem Wege in den entsprechenden Gremien des Rates für eine Mehrheit zu kämpfen. Denn grundsätzlich müsste es so sein:
Wenn man kommunale Probleme kritisieren will,
omuß man zur Wahl gehen (sonst hat man moralisch kein Recht zur Kritik) und möglichst auch einmal bereit sein, sich für eine gewisse Zeit selbst als Ratsmitglied zur Verfügung zu stellen und Verantwortung zu tragen.
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Bei aller Verschiedenheit der Meinungen und Ansichten möchte ich zusammenfassend alle einsichtigen Bürger bitten, sich nicht vor einen falschen Karren spannen zu lassen. Wir sollten den Prozeß, soweit es uns möglich ist, positiv – meinetwegen auch kritisch - begleiten, Anregungen geben und den Rat und die Verwaltung bei den anstehenden schweren Entscheidungen stützen, keinesfalls die von uns gewählten Gremien demontieren lassen. Nur dann kommt etwas Gutes für die Stadt und ihre Bürger dabei heraus.
BS