07.07.2011 / Veröffentlichung wurde von der Ostfriesen-Zeitung wegen Überlänge abgeleht. Eine von der OZ angebotene Kürzung auf die Hälfte konnte nicht akzeptiert werden, da dann zuviel von der Substanz verloren gegangen wäre.

ECE - Entgegnung zu einem Leserbrief

von Frau Insa Strobel, veröffentlicht in der OZ vom 07.07.2011

 

Ich muß den Ansichten von Frau Strobel, die ich im übrigen sehr schätze, zu unserer repräsentativen Demokratie deutlich widersprechen. Ob es ihr passt oder nicht: Bei uns entscheiden nach unserer Verfassung von den BürgernInnen frei gewählte VertreterInnen über „das Wohl und Wehe“ der Kommune, des Landkreises, des Landes und des Bundes, neuerdings auch Europas. Es ist nicht gut und schadet unserer parlamentarischen Demokratie, wenn nun mit Polemik gegen die Meinungsfreiheit unserer Ratsvertreter zu Felde gezogen wird. Sie sind schließlich, auch von Frau Strobel, dorthin gewählt worden, um für sie zu entscheiden.

 

Frau Strobels Frage nach den Möglichkeiten des Bürgers zu anstehenden Entscheidungen, die einzelnen oder mehreren Personen nicht gefallen, kann daher nur im Kontext zu unserem Grundgesetz beantwortet werden:

1.) Man muß die richtigen Vertreter, zu denen man Vertrauen hat, in den Rat wählen. Man kann sich oder Mitglieder einer Bürgerinitiative auch selbst für die Wahl zur Verfügung stellen. Dazu bestände im Herbst die Gelegenheit.

2.) In einer laufenden Legislaturperiode muß man mit Argumenten für eine andere Position werben, wenn eine anstehende einzelne Entscheidung des Rates missfällt. Mit Überzeugungsarbeit und nicht mit „Plattmachen“ der Andersdenkenden, nicht mit mittelalterlichem „an den Pranger stellen“, nicht mit Biertischparolen, nicht mit billigem Aufwiegeln der Bevölkerung, wie das in Leer geschieht.

3.) Wenn sich offensichtlich keine Mehrheit für den eigenen Standpunkt findet, kann man versuchen, anstehende Entscheidungen im eigenen Sinn zu beeinflussen, indem man über den eigenen Schatten springt, dem Projekt grundsätzlich zustimmt, aber versucht, eigene Ideen mit einzubringen. Man sich grundsätzlich für eine Einkaufsgalerie entscheiden, dazu aber einzelne „Bausteine“ in die Diskussion einbringen, die einem wichtig sind. Das vollständige Ablehnen gegen eine Mehrheit des Rates (danach sieht es aus) bringt nichts.

4.) Man muß letztlich demokratisch akzeptieren, wie die Mehrheit entscheidet.

 

Eine Bürgerbefragung halte ich für kein geeignetes Instrument, da es den Rat nur unter Druck setzten soll. Damit wäre auch der Beliebigkeit von Ratsentscheidungen Tor und Tür geöffnet. Diese wären nicht mehr verlässlich, damit auch investitionshemmend. Langfristig wirkende Entscheidungen wären nicht mehr zu treffen, da die Gefahr besteht, dass sie durch solche Verfahren immer wieder gekippt werden können. Siehe Stuttgart21, wo durch Bürgerproteste ein riesiger Zeit- und Geldverlust entstanden ist. Verbessert hat sich dadurch nichts und gebaut wird schließlich doch. Ich bleibe dabei: Der einzig richtige Weg ist, das die Bürger die richtigen Vertreter – zu denen sie Vertrauen haben - in den Rat wählen und die Entscheidungen für das Gemeinwohl so zustandekommen, wie sie das Grundgesetz vorsieht.  Allerdings wäre für die Legislaturperiode ein wenig mehr Vertrauen der Bürger zu seinen von ihm gewählten Ratsvertretern nötig.

 

Im übrigen rate ich davon ab, in der ECE-Frage parteipolitisch in Fraktionsblocks zu entscheiden. Das war noch nie gut. Jedes Ratsmitglied sollte sich, auch in Gesprächen mit seinen Wählern, eine eigene Meinung bilden und dann auch so entscheiden. Die Abstimmung über diese Grundsatzfrage der Innenstadtentwicklung – und das ist sie ohne Zweifel – sollte von den Parteien daher freigegeben werden.

 

Berend Schröder

Leer-Heisfelde